Möhrendorf - Keine Fernsehkamera, kein Blitzlichtgewitter, keine hingereckten Mikrofone. Gabriele Pauli, Landrätin aus Fürth, seit kurzem die Frau, die den Sturz ihres Parteichefs Edmund Stoiber eingeleitet hatte, muss auf die kleine Bühne klettern, um das Rednerpult aus Sperrholz zu erreichen. Eine verknitterte Fahne der Jungen Union hängt darüber. Die Nachwuchs-Organisation der CSU im Landkreis Erlangen-Höchstadt ist es, die Pauli schon vor Wochen als Rednerin eingeladen hatte. Das alles war vor den heißen Wochen in der CSU.
Stolz auf prominenten Gast
Am Mittwochnachmittag noch hat Pauli eine Pressekonferenz gegeben, am Abend nun soll sie beim Neujahrsempfang die „Festrede“ halten und „über die CSU, ihre Stärke und ihre Bedeutung in der Kommunalpolitik reden“, kündigt der JU-Kreisvorsitzende Benedikt Forschner an. Der Jura-Student, gerade einmal 20 Jahre alt, ist sichtlich stolz auf den prominenten Gast und auf einen vollen Saal an Zuhörerschaft.
Über 150 sind es wohl, die den Weg ins Kleinseebacher Mühlentheater gefunden haben. Da sitzt die viel zitierte Basis. JU’ler, Mitglieder der Mittelstandsunion, der Frauen-Union oder langjährige CSU-Kommunalpolitiker.
Vor Paulis Auftritt singen „Die Hugos“, eine
A-Cappella-Gruppe. Sie intonieren „Edmund, mein Herz lässt dich grüßen“. Der moderierende Sänger relativiert: Das solle kein Song sein, mit dem der scheidende Vorsitzende durch den Kakao gezogen werden soll.
Das tut
dann auch Pauli in ihrer Dreiviertelstunde-Rede nicht. Sie hält sich
bis auf fünf Minuten an das vorgegebene Thema. Den jungen Leuten im
Publikum legt sie nahe, sich weiter in der JU zu engagieren. „Eine
absolut tolle Zeit“ habe sie erlebt, sagt die heute 49-Jährige. Dann
springt sie zur Metropolregion, lobt deren
Kraft und deren Chancen, spricht über Privatisierungen von Müllabfuhr und
Bauhof und der Undurchsichtigkeit des kommunalen Haushalts. Und schließlich
ist sie am Kassenautomaten in ihrem Landratsamt angekommen. Es sei „ein
Kampf“ gewesen, den zu installieren.
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Den anderen Kampf, den mit Stoiber und der Führung der „porös gewordenen Volkspartei“, hat sie gewonnen. Dennoch empfinde sie keinen Triumph, sagt Pauli. Sie habe nicht gedacht, mit ihrer Kritik so eine Lawine auszulösen. „Der Untergrund muss schon locker gewesen sein“, glaubt sie und erinnert an den Stoiber-Rückzug aus Berlin 2005 und die Wunden, die er hinterlassen habe. Sie lobt Stoiber, der nun erkannt habe, dass er gehen muss, würdigt seine „großen Verdienste“ und „ich spüre, dass eine Ära vorbei geht“.„Ich fände es gut, wenn wir auch einmal die Wahl hätten.“
Die Zeit, die jetzt beginne, solle diskussionsfreudiger werden, die Partei offener, hofft die Landrätin. Der Streit zwischen Seehofer und Huber um den CSU-Vorsitz müsse ihrer Meinung nach nicht bis zum Parteitag im September geklärt werden. Ihre eigene Rolle suche sie derzeit noch, sagt Pauli im kleinen Kreis nach dem offiziellen Teil. Ob sie, wie bereits angekündigt, tatsächlich als stellvertretende Parteivorsitzende kandidiere, sei offen.
Vieles scheint noch nicht klar – auch die Meinung der Zuhörer. Zwei ältere Damen verabschieden sich von Pauli. Eine sagt: „Wir haben gerade über Sie diskutiert. Sie sind ganz gut weggekommen.“ Ein Mittelständler dagegen raunt einem Bekannten zu: „So eine schlechte Rede habe ich hier noch nicht gehört“. Selbst Alfred Sauter habe besser gesprochen. Der von Stoiber 1999 geschasste Justizminister war Redner beim Empfang vor einem Jahr.
Dafür hat Gabriele Pauli mehr erreicht. „Sie hat Festgefahrenes wieder in Bewegung gebracht. Aber am Ende hat sie’s einfach übertrieben“, sagt JU’ler Michael
Mirschberger.
Über eine kommende Spitzenpolitikerin der CSU spricht man anders.
Martin Utz
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